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Auswirkungen der Schweizer Erbrechtsrevision auf Immobilien?

Im Jahr 2020 hat das Schweizer Parlament die Revision des über 100 Jahre alten Erbrechts verabschiedet. Am 1. Januar 2023 ist das neue Erbrecht in Kraft getreten. Das neue Erbrecht gibt Ihnen als Erblasser zusätzliche Möglichkeiten für Ihre Nachlassplanung. Im Folgenden beantworten wir die 6 häufigsten Fragen unserer Mandanten.

1. Was sind die wichtigsten Neuerungen bei der Vererbung von Immobilien?

Mit der Revision wurde der Pflichtteil für direkte Nachkommen auf die Hälfte des Nachlasses reduziert, während der Pflichtteil für Eltern gänzlich entfällt. Weiter entfällt der Erb- und Pflichtteilsanspruch eines noch Ehegatten neu bereits bei einem hängigen Scheidungsverfahren und nicht wie früher, erst mit dem rechtskräftigen Scheidungsurteil, sofern eine entsprechende Regelung von Todes wegen besteht. Diese Neuerungen des Erbrechts zielen darauf ab, die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu erhöhen.

Die erhöhte Verfügungsfreiheit des Erblassers gibt diesem die Möglichkeit, über einen grösseren Teil seines Vermögens frei zu verfügen. Besonders relevant ist dies bei Liegenschaften, da die stark gestiegenen Immobilienpreise oft zur Folge haben, dass eine Liegenschaft beim Versterben des Erblassers den wertmässig grössten Vermögenswert darstellt. Da die Erben alle gleichberechtigt werden sollen, dürfen ihre gesetzlichen Erbteile wertmässig maximal 10% voneinander abweichen. Eine Herausforderung stellt die gestiegenen Immobilienpreise insbesondere dar, wenn der Erblasser keine Nachlassplanung vorgenommen hat, der Wert der Liegenschaft den Wert des gesetzlichen Erbteils um mehr als 10% übersteigt und die Erben sich nicht einig darüber sind, wem die Liegenschaft zukommen soll. Denn dann ist die Liegenschaft zu veräussern und der Veräusserungserlös zwischen den Erben aufzuteilen.

Weiter gilt seit dem 1. Januar 2023 nach Abschluss eines Erbvertrages grundsätzlich ein Schenkungsverbot. Dieses betrifft auch die Erbverträge, die bereits vor dem genannten Datum geschlossen wurden. Bisher hinderte ein Erbvertrag den Erblasser nicht daran, zu Lebzeiten Schenkungen vorzunehmen. Anfechtbar waren Schenkungen nur, falls sie im Erbvertrag ausdrücklich untersagt wurden oder falls der Schenkende die Erben bewusst benachteiligen wollte. Heute gilt hingegen, dass Schenkungen, mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken, nur vorgenommen werden dürfen, wenn der Erbvertrag dies ausdrücklich vorsieht. Wer trotz der neuen Regelung weiterhin Schenkungen vornehmen möchte, sollte dies im Erbvertrag vorsehen und den bestehenden Erbvertrag entsprechend anpassen. Eine solche Anpassung bedarf das Einverständnis aller Vertragsparteien sowie eine öffentliche Beurkundung.

Aufgrund dieser neuen Regelung kann ein Erblasser eine Schenkung einer Immobilien gegebenenfalls nicht ohne weiteres durchführen. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser eine Liegenschaft verschenkt, sich selbst aber bis zu seinem Ableben ein Wohnrecht oder die Nutzniessung einräumt. Denn obwohl der Beschenkte bei einem solchen Vorgehen erst nach dem Tod des Erblassers das unbelastete Eigentum an einer Immobilie erhält, handelt es sich vorliegend um eine Zuwendung zu Lebzeiten und gegebenenfalls um einen Verstoss gegen das neue Schenkungsverbot.

2. Wie sieht die gesetzliche Erbfolge aus?

Wenn der Erblasser kein Testament erlassen und keinen Erbvertrag abgeschlossen hat, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Bestimmt werden die gesetzlichen Erben durch das Parentelsystem. Es wird hierbei unterschieden zwischen der ersten, der zweite und der dritten Parentel. Zur ersten Parentel gehören die Nachkommen der verstorbenen Person (Kinder, Enkel etc.), zur zweiten die Eltern mit ihren Nachkommen und zur dritten die Grosseltern mit ihren Nachkommen. Innerhalb eines Parentels vorverstorbene Erben, werden durch ihre Nachkommen ersetzt. Dies gilt auch, wenn der vorverstorbene Erbe die Erbschaft ausgeschlagen hat. Weiter gilt, dass der Nachlass erst der zweiten Parentel zukommt, wenn in der ersten Parentel keine Erben vorhanden sind. Sind selbst in der dritten Parentel keine Erben vorhanden, fällt der Nachlass dem Staat zu.

3. Welche Möglichkeiten bringt ein Ehevertrag?

Der Ehevertrag kann ein wichtiges Instrument der Nachlassplanung darstellen. Seine Relevanz wird besonders ersichtlich, wenn das Vorgehen nach dem Versterben des Erblassers genauer betrachtet wird. Denn bevor die erbrechtliche Auseinandersetzung überhaupt vorgenommen werden kann, erfolgt bei einem verheirateten Erblasser die güterrechtliche Auseinandersetzung. Ein Ehevertrag kann folglich eine entscheidende Rolle spielen in Bezug auf die Grösse des Nachlasses.

In einem Ehevertrag können die Ehegatten eine Abweichung vom ordentlichen Güterstand, der Errungenschaftsbeteiligung, vereinbaren. Sie können sich hierbei entweder für die Gütergemeinschaft oder die Gütertrennung entscheiden. Da die Wahl des Güterstandes ausschlaggebend dafür ist wie viel dem überlebenden Ehegatten bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zugewiesen wird, wirkt sich diese folglich auf die Grösse des Nachlasses aus.

Sofer die Ehegatten lediglich über gemeinsam Nachkommen verfügen, kann der Erblasser im Rahmeneines Ehevertrages, dem überlebenden Ehegatten sein gesamtes Vermögen überlassen. Die Pflichtteilsansprüche der gemeinsamen Nachkommen und des überlebenden Ehegatten müssen hierbei nicht berücksichtigt werden sowie auch keine Zustimmung der gemeinsamen Nachkommen erforderlich ist.

4. Welche Chancen eröffnen ein Testament und ein Erbvertrag?

Das Schweizer Erbrecht kennt zwei Verfügungsarten, mit denen eine Erblasser über sein Vermögen ganz oder teilweise verfügen kann. Zum einen ist dies das Testament und zum anderen der Erbvertrag. Die rechtzeitige Erstellung eines Testaments oder Erbvertrags kann Erbstreitigkeiten verhindern und stellt sicher, dass dem letzten Willen des Erblassers entsprochen wird. Beide Verfügungsarten stellen daher eine wichtige Vorsorge für den Todesfall dar. Welche Verfügungsart zu wählen ist, wird von den Zielen der Nachlassplanung des Erblassers abhängig gemacht. Entscheidet sich der Erblasser weder für das Testament noch für den Erbvertrag, kommt die gesetzliche Regelung zum Zuge.

In einem Testament kann der Erblasser verschiedene Regelungen treffen, um sicherzustellen, dass sein Vermögen nach seinem Tod entsprechend seiner Wünsche verteilt wird. Eine der grundlegendsten Entscheidungen, die ein Erblasser treffen kann, betrifft die Einsetzung von Erben. Hier kann er im Rahmen seiner frei verfügbaren Quote festlegen, welche Personen oder Organisationen ein Teil seines Nachlasses erhalten sollen. Weiter kann der Erblasser in einem Testament bestimmen, wie die Aufteilung seines Nachlasses zu erfolgen hat. So kann er seinem Sohn Liegenschaft A zuweisen, während seine Tochter Liegenschaft B erhalten soll.

Im Unterschied zum Testament bietet der Erbvertrag zusätzliche Regelungsmöglichkeiten. Denn in diesem kann der Erblasser verbindliche Vereinbarungen mit seinen Erben über den Nachlass treffen. Bei Immobilien, die den Wert des gesetzlichen Erbteils um mehr als 10% übersteigen, ist ein solches Vorgehen wohl das sinnvollste. Denn mit dem Erbvertrag können der Erblasser und seine Erben festlegen, zu welchen Konditionen eine Vereinbarung getroffen werden soll, um dem Willen des Erblassers gerecht zu werden. Der Erbvertrag stellt eine verbindliche Vereinbarung dar, dessen Inhalt alle Parteien mit ihrer Unterschrift bestätigen. Die Errichtung eines Erbvertrags ist daher ein beliebtes Vorgehen, um Erbstreitigkeiten vorzubeugen.

5. Welche Möglichkeiten bieten Stiftungen, Trusts un dVersicherungspolicen?

Stiftungen und Trusts sowie Versicherungspolicen stellen wichtige Instrumente der Nachlassplanung dar. Denn bei Erbfragen bieten diese Strukturen umfassendere Möglichkeiten, als dies das Schweizer Erbrecht derzeit zulässt. Während die Schweiz ein eigenes Stiftungsrecht kennt, verfügt die Schweiz aktuell über kein eigenes Trustrecht. Ein Schweizer Trust steht für die generationenübergreifende Nachlassplanung folglich nicht zur Verfügung. Es besteht jedoch die Möglichkeit auf ausländische Trusts auszuweichen.

Stiftungen, Trusts und Versicherungspolicen sollten ernsthaft berücksichtigt werden in den untenstehenden Fällen:

  • Bei grösseren Vermögenswerten
  • Wenn der Erblasser über komplexe Vermögensstrukturen verfügt
  • Bei vorbelasteten Familienverhältnissen oder minderjährigen Erben
  • Bei internationalen Besitzerverhältnissen des Erblassers
  • Bei international lebenden Erben
  • Beim Wunsch nach einer gewissen Diskretion

6. Was muss man bei Erbvorbezügen beachten?

Immobilien stellen in Nachlässen oft den wertmässig grössten Vermögenswert dar. Dementsprechend ist bei lebzeitigen Zuwendungen in einem Testament oder Erbvertrag mit Umsicht vorzugehen, da das Gesetz grundsätzlich von der Gleichbehandlung der Erben ausgeht. Wird ein Erbe besonders begünstigt, müssen die restlichen Erben mit gleichwertigen Vermögensgegenständen bedacht werden. Dies ist in der Nachlassplanung rechtzeitig zu organisieren, um Streitigkeiten und Anfechtungen unter den Erben zuvorzukommen und den Begünstigten vor unerwartet hohen Ausgleichungspflichten zu bewahren.

Weiter müssen bei lebzeitigen Zuwendungen seit dem 1. Januar 2023 beachtet werden, dass der Erblasser bei Bestehen eines Erbvertrages Erbvorbezüge nur vornehmen darf, wenn der Erbvertrag dies ausdrücklich vorsieht. Da es sich hierbei um ein Vorgehen handelt, dass früher bedenkenlos durchgeführt werden konnte, ist die erforderliche Klausel in den meisten Erbverträgen, die vor dem 1. Januar 2023 abgeschlossen wurden, nicht zu finden. Folglich gilt es hier vor einem geplanten Erbvorbezug eine Anpassung des Erbvertrages durchzuführen.

LINDEMANNLAW kann Ihnen bei Ihrer individualisierten Nachlassplanung behilflich sein. Wir können Ihre persönlichen Umstände beurteilen und mit Ihnen die für Sie bestmögliche Nachlassplanung ausarbeiten. Mit unserer Inhouse Urkundsperson können wir Ihnen öffentliche Beurkundungen von Erbverträgen, kombinierten Ehe- und Erbverträgen und Testamenten anbieten.

 

Für weitere Informationen können Sie uns gerne kontaktieren, wir helfen Ihnen gerne weiter.

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