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Wie viel Einfluss ist erlaubt? Relationship Agreements im M&A richtig gestalten

Relationship Agreements (RA) sind in der M&A-Praxis– besonders bei börsenkotierten Gesellschaften mit Grossaktionären – ein hochwirksames Steuerungsinstrument. Richtig strukturiert stabilisieren sie das Aktionariat, kanalisieren den Einfluss von Ankeraktionären und regeln sensible Informationsflüsse, etwa bei IPO, Kapitalerhöhung, PIPE oder strategischer Minderheitsbeteiligung. Die Kunst liegt im präzisen Design nach Schweizer Recht: Zweck, Grenzen, Offenlegung, Insider- und Kartellrecht müssen u.a. ineinandergreifen.

1. Zweck & Abgrenzung: Wozu dient ein RA – und was ist kein RA?

Ein RA ist – im Unterschied zum Aktionärbindungsvertrag (ABV) unter Aktionären – ein Vertrag zwischen der (häufig kotierten) Gesellschaft und einem oder mehreren Grossaktionären. Es dient der sichtbaren Kanalisierung von Einfluss und der Absicherung der Eigenständigkeit der Gesellschaft. Bei Minderheitsankern können Nominationsrechte und klar definierte Mitwirkungsrechte die Zusammenarbeit professionalisieren, ohne dass eine faktische Kontrolle entsteht; bei beherrschten Gesellschaften signalisiert das RA nach aussen Unabhängigkeit und gute Governance.

Es unterscheidet sich vom ABV, der unter Aktionären Rechte/Pflichten (Stimmrechte, Veräusserungsbeschränkungen, Mitverkaufsrechte) koordiniert. Der ABV, der grösstenteils nur Aktionäre bindet, ist häufig in der Praxis auch bei nicht börsenkotierten Gesellschaften, Start-Ups, Joint-Ventures und Familienunternehmen.

2. Wo verläuft die rote Linie im Schweizer Recht?

Die Schranken im Schweizer Recht verlaufen entlang der Vertragsfreiheit mit Vorbehalt der übermässigen Bindung (Art. 27 Abs. 2 ZGB) und der Sorgfalts- und Treuepflichten des Verwaltungsrats nach Art. 717 OR: Der VR darf ein RA nur abschliessen, wenn es im Gesellschaftsinteresse liegt und lege artis verhandelt wurde; seine Beurteilung untersteht der Business-Judgment-Rule und der relativen Gleichbehandlung (Art. 717 Abs. 2 OR). Daneben wirken aktienrechtliche Grundstrukturen (Art. 714 i. V. m. 706b OR) sowie Kapitalmarktdisziplinen: Ad-hoc-Publizität, Offenlegung bzw. acting in concert gemäss Art. 120 FinfraG – inklusive Einzelfallbeurteilung von Stillhalteabreden – und die Angebotspflicht gem. Art. 135 FinfraG, falls ein RA als Beherrschungsabrede qualifiziert und die 33 ⅓ %-Schwelle überschritten würde. Kartellrechtlich sind Informationsaustausch und ein allfälliger Kontrollerwerb (Fusionskontrolle) mitzudenken.

3. Board & Stimmrechte: Wie viel Einfluss ist (noch) zulässig?

In der Praxis hat sich für Board‑ und Stimmrechtsfragen ein tragfähiger Korridor etabliert: Nominationsrechte nach Beteiligungsstaffel, klare Anforderungsprofile (Kompetenz, Reputation, Unabhängigkeit) und ein Ablehnungsrecht der Gesellschaft bei Nichterfüllung sind zulässig; die Wahl bleibt der Generalversammlung vorbehalten. Stimmbindungen zugunsten der Gesellschaft sind umstritten, werden in der Lehre mehrheitlich als eingeschränkt zulässig angesehen, wenn sie zeitlich und gegenständlich begrenzt sind (z. B. Wahl unabhängiger VR, Unterstützung einer definierten Strategie) und keine faktische GV-Kontrolle durch den VR entsteht; pauschale Weisungsbindungen oder Modelle, die die Kompetenzordnung verschieben, gelten dagegen als problematisch. Vetorechte im Verhältnis Gesellschaft–Aktionär sind regelmässig kritisch und bedürfen einer sehr engen, sachlichen Rechtfertigung (s. Urteil vom 28. Oktober 2015 des Handelsgerichts des Kantons Zürich, Geschäfts-Nr.: HG140114-O).

4. Informationsrechte & Geheimhaltung: Wie bleibt der Fluss rechtssicher?

Eine privilegierte Informationsversorgung – typischerweise über VR-Mitglieder (Vertrag zugunsten Dritter) oder eng definierte Konsolidierungsfenster – ist zulässig, sofern sie zweckgebunden, verhältnismässig und im Gesellschaftsinteresse ist; die relative Gleichbehandlung bleibt Leitplanke. Insiderrechtlich sperren Art. 142/154 FinfraG die missbräuchliche Weitergabe; der Safe Harbour von Art. 128 lit. a FinfraV erlaubt sie auf „need-to-know“-Basis zur Erfüllung gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten. Flankiert werden sollte dies durch strikte Vertraulichkeitsobliegenheiten, Blocking Periods, Insiderlisten, Clean-Teams/Chinese Walls und – ganz praktisch – Audit-Trails und Vertragsstrafen. Parallel sind kartellrechtliche Risiken beim Austausch wettbewerbssensibler Daten zu kontrollieren.

5. Beteiligungsdynamik: Lock-up, Standstill & Übernahmeschutz sauber kalibrieren

Schliesslich müssen Beteiligungsdynamik und Takeover‑Safeguards fein kalibriert werden: Lock-ups stabilisieren das Aktionariat über einen klaren Zeitraum; Standstills begrenzen Beteiligungsaufbau oder Kontrollerweiterung. Im Übernahmekontext kommen Non-tender-Abreden, Andienungsverpflichtungen sowie „Don’t ask, don’t waive“-Klauseln in Betracht – idealerweise nur mit Zustimmung unabhängiger VR-Mitglieder. Verzichtsklauseln auf Mitwirkungs-, Kontroll- oder Klagerechte sind anlassbezogen und befristet vertretbar (etwa kein Sonderprüfungsantrag im Rahmen einer Streitbeilegung), generelle Blanko-Verzichte hingegen heikel. Die richtige Dosierung vermeidet Offenlegungspflichten oder gar Pflichtangebote – und schafft Ruhe im Cap Table, ohne Kontrollwechsel auszulösen.

RA sind mächtig – und heikel. Sie haben sich in der Praxis etabliert, testen aber weiterhin die Limiten des Schweizer Rechts. Wer sie erfolgreich einsetzt, definiert den Zweck messerscharf, limitiert zeitlich und gegenständlich, dokumentiert die VR-Beurteilung sauber und hält Insider-, Disclosure- und Kartellprozesse wasserdicht – mit klaren Sunset- und Trigger-Mechanismen. So gewinnen Sie Einfluss & Stabilität, ohne Pflichtangebot, Ungleichbehandlung oder Kartellrisiken zu provozieren.

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Haftungsausschluss: Diese Veröffentlichung enthält nur allgemeine Informationen und stellt keine Rechtsberatung dar. Für eine Beratung in Ihrer speziellen Situation wenden Sie sich bitte direkt an uns.

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