Lindemann Law

Interview mit Dr. iur. Alexander Lindemann: Was das Urteil des US-Berufungsgerichts zu Trumps Zöllen für die Schweiz bedeutet

Wir freuen uns, unsere neue Interviewreihe mit Dr. iur. Alexander Lindemann, Partner bei LINDEMANNLAW und Präsident des Swiss Capital Market Forum, zu eröffnen. Er berät Investmentfonds, Vermögensverwalter, Privatkunden und Banken in rechtlichen, regulatorischen und steuerlichen Fragen.

In dieser ersten Ausgabe teilt Dr. Lindemann seine Einschätzung dazu, was das Urteil des US-Berufungsgerichts zu Trumps Zöllen für die Schweiz bedeutet.

Hintergrund

Im April 2025 berief sich Präsident Donald Trump auf den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA), um Zölle auf die meisten US-Importe zu erheben. Mehrere Parteien reichten Klagen ein und machten geltend, dass der IEEPA dem Präsidenten keine rechtliche Befugnis zur Verhängung dieser Zölle verleihe.

Im Mai entschieden zwei Bundesgerichte erster Instanz, dass die auf Grundlage des IEEPA erhobenen Zölle den Befugnisspielraum des Präsidenten überschreiten. Beide Gerichte setzten ihre Urteile jedoch aus, sodass die Zölle in Kraft blieben, während die Regierung in Berufung ging.

In einer jüngsten en banc-Entscheidung hat das Bundesberufungsgericht für den Federal Circuit die meisten der neuen Zölle von Ex-Präsident Trump für unzulässig erklärt.

Frage: Was hat das Berufungsgericht konkret entschieden?


Antwort (Dr. Lindemann): Am 29. August 2025 entschied der Federal Circuit mit einer Mehrheit von 7:4, dass die Regierung keine Befugnis nach dem IEEPA habe, umfassende, pauschale Zölle zu verhängen. Das Gesetz ist dafür gedacht, bestimmte Transaktionen als Reaktion auf aussergewöhnliche Bedrohungen zu regulieren, nicht aber den gesamten US-Zolltarif neu festzulegen. Daher wurden die meisten IEEPA-basierten Zölle für rechtswidrig erklärt. Wichtig ist: Die Entscheidung betrifft nicht Zölle, die auf Grundlage anderer Gesetze erhoben werden, wie etwa nationale Sicherheitszölle nach Section 232 oder Section-301-Maßnahmen gegen China.

Rechtsgrundlagen/Zitierte Fälle: IEEPA, 50 U.S.C. §§ 1701–1707; Federal Circuit Entscheidung (en banc) [1]; Hintergrund zu Section 232/301 (nicht betroffen) aus CRS [2].

Frage: Fallen die Zölle jetzt weg? Wie ist der Zeitplan?

Antwort: Nicht sofort. Das Berufungsgericht hat die Wirkung seines Urteils ausgesetzt, sodass die IEEPA-Zölle bestehen bleiben, während die Regierung die Überprüfung durch den Supreme Court anstrebt. Ein Eilantrag und eine Petition auf certiorari werden bis Mitte Oktober erwartet. Falls der Supreme Court die Überprüfung ablehnt oder die Begründung des Federal Circuit bestätigt, müssen diese Zölle aufgehoben werden, und Unternehmen könnten Rückerstattungen verlangen. Bis dahin sind die Abgaben jedoch weiterhin zu zahlen.

Frage: Warum hat das Gericht entschieden, dass der IEEPA nicht für allgemeine Zölle genutzt werden darf?

Antwort: Die Richter betonten, dass der IEEPA nur gezielte Massnahmen – das Blockieren oder Regulieren bestimmter Transaktionen – autorisiert, nicht aber eine umfassende Neuordnung der Handelspolitik. Sie stützten sich auf die major questions doctrine, die zuletzt in West Virginia v. EPA angewandt wurde und für weitreichende wirtschaftliche oder politische Massnahmen eine klare gesetzliche Ermächtigung durch den Kongress verlangt. Zudem verwiesen sie auf den klassischen Fall Youngstown zur Gewaltenteilung. Da der Kongress nie ausdrücklich eine Befugnis für globale Zölle nach dem IEEPA erteilt hat, überschritt die Regierung hier ihr Mandat.

Rechtsgrundlagen/Zitierte Fälle: West Virginia v. EPA, 597 U.S. ___ (2022); Youngstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer, 343 U.S. 579 (1952). [3]

Frage: Betrifft das auch die Section-232-Stahl-/Aluminiumzölle oder andere Zölle?

Antwort: Nein. Die Section-232-Zölle auf Stahl und Aluminium sowie Section-301-Zölle gegen China bleiben bestehen. Diese Massnahmen beruhen auf völlig anderen Rechtsgrundlagen und wurden bereits in früheren Verfahren bestätigt. Dieses Urteil beschränkt sich ausschliesslich auf unter dem IEEPA verhängte Zölle. Für Schweizer Exporteure bedeutet das, dass die Risiken aus Section 232 unverändert bleiben und weiterhin in die Handelsplanung einzubeziehen sind.

Rechtsgrundlagen/Zitierte Fälle: Trade Expansion Act § 232, 19 U.S.C. § 1862; AIIS v. United States; Transpacific Steel. [4]

Frage: Was bedeutet das praktisch für die Schweiz?

Antwort: Die Schweiz ist direkt betroffen, da sie derzeit dem auf IEEPA basierenden „Reziprozitäts“-Zollpaket unterliegt – einschliesslich des im August 2025 angekündigten Aufschlags von 39 %. Sollte die Entscheidung des Federal Circuit Bestand haben, müssten diese Aufschläge aufgehoben werden, und Rückerstattungen könnten möglich sein. [5]

Derzeit sind sie jedoch weiterhin zu entrichten. Schweizer Exporteure sollten umsichtig handeln:

  • Rechtzeitig Einsprüche bei den US-Zollbehörden einlegen, um Rückerstattungsansprüche zu wahren.
  • Möglichkeiten für duty drawback offenhalten.
  • Verträge hinsichtlich Preis, Incoterms sowie Härtefall- oder force-majeure-Klauseln anpassen, um Risiken während des laufenden Supreme-Court-Verfahrens abzufedern.

Hinweis: Nicht auf IEEPA gestützte Zölle (z. B. Section 232 auf Stahl/Aluminium) sind von dieser Entscheidung nicht betroffen und bleiben bestehen.

Schweiz-spezifische Quellen & Hinweise: SECO-Seite zum Handel Schweiz–USA (führt die 39%-Massnahme und Ausnahmen auf).

Bonusfrage: Was sollten Unternehmen jetzt konkret tun?

Antwort: Erstens sollte die Exponierung sorgfältig erfasst werden. Dabei ist klar zwischen IEEPA-basierten Zöllen, die möglicherweise rückgängig gemacht werden, und den weiterhin gültigen Section-232/301-Zöllen zu unterscheiden. Zweitens sollten alle Unterlagen dokumentiert werden – entry summaries, Zahlungsnachweise, Fristen für Einsprüche. Drittens sollten Szenarien für beide möglichen Supreme-Court-Ergebnisse durchgespielt werden: ein Wegfall der Zölle auf null oder ein Fortbestehen. Diese Vorbereitung stellt sicher, dass Schweizer Unternehmen nicht überrascht werden, egal wie das Verfahren ausgeht.

Für massgeschneiderte Beratung zu den Handelsbeziehungen Schweiz–USA, Zollrisiken und internationaler Vertragsgestaltung wenden Sie sich bitte an die International Trade & Cross-Border Practice von LINDEMANNLAW.

Weitere Informationen: Dr. Alexander Lindemann hat in einem Interview mit dem SonntagsBlick weitere Perspektiven zu diesem Thema erläutert. Das vollständige Interview finden Sie hier.

Quellen

[1] 25-1812.OPINION.8-29-2025_2566151.pdf

[2] Congres.gov

[3] supremecourt.govYoungstown Sheet & Tube Co. v. Sawyer | 343 U.S. 579 (1952) |

[4] cafc.uscourts.gov

[5] seco.admin.ch

Haftungsausschluss: Diese Veröffentlichung dient ausschliesslich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Für eine Rechtsberatung zu Ihrer spezifischen Situation wenden Sie sich bitte direkt an uns.

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