Lindemann Law

Virtuelle Generalversammlungen 2025: Rechtssicher, effizient, planbar

Einleitung

Die revidierte Aktienrechtsordnung erlaubt seit 1. Januar 2023 die Durchführung von hybriden und vollständig virtuellen Generalversammlungen (GV). Richtig umgesetzt, senken Unternehmen damit Reise‑ und Infrastrukturkosten, erhöhen die Beteiligungsquote und bleiben auch bei international verteilter Aktionärsstruktur handlungsfähig. Die Kehrseite: Formfehler und technische Pannen können Anfechtungen begünstigen.

Dieser Newsletter zeigt, wie Sie mit klarer Governance, den richtigen Tools und sauberer Vorbereitung eine rechtssichere und überzeugende virtuelle GV durchführen.

Was ist der Unterschied zwischen physischer, hybrider und virtueller GV?

Physische GV: Alle nehmen am Tagungsort teil. Elektronische Mittel sind höchstens ergänzend (z. B. Saal‑Voting).

Hybride GV (Art. 701c OR): Die Versammlung findet an einem Tagungsort statt; zusätzlich ermöglicht der Verwaltungsrat die elektronische Teilnahme. Rechte (Rede, Anträge, Abstimmung) müssen für beide Gruppen gleichwertig wahrnehmbar sein.

Virtuelle GV (Art. 701d OR): Die GV hat keinen physischen Tagungsort und findet ausschliesslich elektronisch statt. Voraussetzung ist eine explizite Statutenklausel; in der Einberufung ist ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter zu bezeichnen. Nicht kotierte Gesellschaften können in den Statuten einen Verzicht auf den unabhängigen Stimmrechtsvertreter vorsehen.

Merke: Bei allen Formen gelten die materiellen Anforderungen an Identifikation, Unmittelbarkeit der Voten und unverfälschbare Abstimmungsresultate (Art. 701e OR). Technische Probleme, die die ordnungsgemässe Durchführung verunmöglichen, erzwingen eine Wiederholung (Art. 701f OR). Wesentliche Eckdaten und technische Zwischenfälle sind im Protokoll festzuhalten (Art. 702 OR).

Welche Form passt zu unserer Governance – und wo liegen die echten Kosten-/Nutzenunterschiede?

Governance‑Passung (Faustregeln):

✔ Konzentrierter Aktionärskreis / KMU: Hybrid oder virtuell erhöht Flexibilität; virtuell lohnt sich bei geografisch verstreuten Aktionären, geringer Komplexität und stabilen Traktanden.
✔ Kotierte / grössere Gesellschaften: Hybrid schafft Inklusion (Saal + Remote) und reduziert Aktivismus‑Risiken durch bessere Moderationsoptionen; rein virtuell setzt robuste Prozesse, Stimmrechtsvertretung und Plattform‑Skalierung voraus.
✔ Internationale Eigner / Family Office: Virtuell minimiert Reiseaufwand und Zeitzonenprobleme (mit zwei Slots/Sessions für Q&A).

Kosten-/Nutzenvergleich (typische Treiber):

✔ Physisch: Saal, Catering, Sicherheit, Reisekosten; dafür einfache Technik und Publikumsinteraktion.
✔ Hybrid: Zusätzlich Plattform‑Lizenz, Abstimmungs‑/Quoren‑Modul, Support‑Team, Tests; Nutzen: grössere Reichweite, höhere Teilnahme, weniger Reise‑ und Raumkosten.
✔ Virtuell: Wegfall Saal/Katering; dafür höhere Anforderungen an Identifikation, Support, Incident‑Management und ein belastbares Abstimmungs‑/Proxy‑Setup. Nutzen: maximale Skalierbarkeit, bessere Nachvollziehbarkeit (Audit‑Trail), oft tiefere Gesamtkosten ab mittlerer Teilnehmerzahl.

Praxis‑Tipp: Entscheiden Sie nicht nur nach Kosten, sondern nach Risikoprofil (Anfechtungsrisiken, Aktivismus), Investor Relations (Erreichbarkeit, Transparenz) und IT‑Reifegrad (Plattform, Security, Support). Wir erstellen mit Ihnen eine kurze Matrix (Form vs. Ziele/Risiken) – daraus leiten wir die optimale Form und eine belastbare Roadmap ab.

Welche sind die formellen Voraussetzungen einer virtuellen GV?

✔ Statutenklausel: ausdrückliche Ermächtigung zur Durchführung einer virtuellen GV; bei nicht kotierten Gesellschaften kann die Klausel den Verzicht auf den unabhängigen Stimmrechtsvertreter vorsehen (Art. 701d OR).
✔ Einladung: klare Bezeichnung der Form (virtuell), Plattform/Einwahldaten, technische Mindestanforderungen, Support‑Kontakt, Hinweis auf Stimmrechtsvertretung und Depot‑/Organvertretung, Fristen für Vollmachten/Instruktionen.
✔ Unabhängiger Stimmrechtsvertreter: in der Einberufung zu bezeichnen (Pflicht, ausser statutarischer Verzicht bei nicht kotierten Gesellschaften).
✔ Reglement/House Rules: Redezeiten, Wortmeldungen, Antragsverfahren, Ordnungsanträge, Moderationskompetenzen.
✔ Protokollierung (Art. 702 OR): Datum, Beginn/Ende, Form und (falls relevant) Tagungsort, Präsenz/Vertretungen (inkl. Depot‑/Organ‑/Custodian‑Vertreter), Beschlüsse und Wahlergebnisse, Informationsbegehren/Antworten, wesentliche technische Probleme.

Informations‑/Dokumentenbereitstellung: fristgerechte Zugänglichmachung der Unterlagen (Jahresbericht, Anträge, Vollmachtsformulare) über ein gesichertes Aktionärsportal.

Welche sind die materiellen Voraussetzungen einer virtuellen GV?

✔ Identifikation & Stimmrechtsnachweis: verlässliche Authentifizierung (z. B. 2‑Faktor, Bank/Registrar‑Login, eID), Abgleich mit Aktienbuch/Teilnehmerliste.
✔ Unmittelbarkeit & Gleichbehandlung (Art. 701e OR): Live‑Übertragung der Voten; jede teilnehmende Person kann Anträge stellen und sich an der Diskussion beteiligen; keine Benachteiligung gegenüber Saalteilnehmern (bei Hybrid‑Elementen).
✔ Unverfälschbare Abstimmung: manipulationssichere Erfassung/Verarbeitung, gewichtete/klassenbasierte Stimmen, geheime Abstimmung wenn vorgesehen; Live‑Quoren und Nachzählungen.
✔ Datenschutz & IT‑Sicherheit (revDSG): Datenminimierung, Zweckbindung, TOMs, Verschlüsselung, Rollen‑/Berechtigungskonzept, Auftragsbearbeitungsverträge (inkl. Auslandtransfer‑Klauseln), Breach‑Prozess mit Melde‑/Informationspflicht nach Risiko.
✔ Barrierefreiheit & Support: Warteraum, Funktionstest, Hotline/Chat‑Support, klare Fallbacks (Telefon‑Voting oder Wiederaufnahme gemäss House Rules), Zeitzonen‑Hinweise.

Audit‑Trail: revisionssichere Protokolle (Logs: Einwahl, Stimmabgabe, Vollmachten/Instruktionen, technische Störungen), abgestimmt mit Revisionsstelle.

Häufige Fehler – und wie Sie sie vermeiden

  1. Keine oder unklare Statutenbasis für virtuelle/hybride GVs.
  2. Unabhängiger Stimmrechtsvertreter in der Einladung nicht bezeichnet (obligatorisch, sofern kein statutarischer Verzicht zulässig ist).
  3. Fehlerhafte/knappe Einladung: fehlende technische Hinweise, unpräzise Traktanden, unklare Fristen für Vollmachten/Instruktionen.
  4. Plattform ohne Proxy‑/Depot‑Tauglichkeit: fehlende Unterstützung für Organ‑/Depotvertretungen, Aktienklassen, Gewichtungen.
  5. Unzureichende Identifikation: fehlende 2FA, schwaches Onboarding, keine Abgleichprozesse mit dem Aktienbuch.
  6. Kein Stresstest oder Plan B: keine Generalprobe, fehlendes Incident‑Playbook (Art. 701f OR), kein Fallback‑Kanal.
  7. Moderation ohne Regeln: keine House Rules zu Redezeiten/Ordnungsanträgen; Eskalationen bei Aktivismus/Q&A.
  8. Datenschutzdefizite: Auftragsbearbeiter ohne AV‑Vertrag, Daten in Drittländer ohne Rechtsgrundlage, kein Breach‑Prozess.
  9. Lückenhafter Audit‑Trail: fehlende oder nicht manipulationssichere Logs; Protokoll vernachlässigt technische Zwischenfälle (Art. 702 OR).
  10. Zeitzonen‑/Sprachfallen: Startzeiten, Übersetzungen, simultane Dolmetschung nicht eingeplant.

Schlusswort

Virtuelle und hybride GVs sind kein Experiment mehr, sondern gelebter Standard – wenn Governance, Technik und Prozesse zusammenpassen. Mit LINDEMANN LAW führen Sie hybride und virtuelle GV zuverlässig und rechtssicher durch. Wir unterstützen Sie mit:

✔ Statutenklausel & Muster‑Einladung (rechtssicher formuliert),
✔ House Rules & Checklisten (Moderation, Störungs‑/Breach‑Playbook),
✔ Plattform‑Fit‑Check (Voting, Proxy, Audit‑Trail, Security),
✔ Generalprobe & Live‑Begleitung (Chairing, Q&A‑Steuerung, Protokoll).

Planen Sie Ihre nächste GV? Melden Sie sich bei uns für ein unverbindliches Erstgespräch. So bleibt Ihre GV rechtssicher – und Ihre Botschaft kommt an.

Haftungsausschluss: Diese Veröffentlichung dient ausschliesslich allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Für eine Rechtsberatung zu Ihrer spezifischen Situation wenden Sie sich bitte direkt an uns.

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