Lindemann Law

Effektivität des AIA-Rechtsschutzes?

Würdigung des neuen AIA-Gesetzes am Beispiel internationaler Trust-Strukturen

Für schweizerische Finanzinstitute und ihre Kunden, aber auch für schweizerische Steuerpflichtige wird der automatische Informationsaustausch Anfang nächsten Jahres Realität. Dem Wunsch der «Steuereintreiber» nach Transparenz steht ein achtenswertes Interesse von Banken und Bankkunden an Daten- und Rechtsschutz entgegen. Der Beitrag würdigt die Effektivität der rechtlichen Interventionsmöglichkeiten nach dem schweizerischen AIA-Gesetz anhand internationaler Trustgestaltungen.

1. EINLEITUNG
Mit dem Inkrafttreten des nationalen AIA-Gesetzes (AIAG), der dazugehörigen AIA-Verordnung (AIAV) per 1. Januar 2017 sowie dem Entwurf der Wegleitung der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) beginnt für die schweizerischen Finanzinstitute die Due-Diligence-Phase: Sie müssen die Ansässigkeit ihrer Kontoinhaber überprüfen sowie Kontoinformationen aufbereiten. Letztere werden erstmals bis zum 30. September 2018 an unsere AIA-Partnerstaaten übermittelt.
Vom AIA umfasst werden auch Rechtsgebilde wie Trusts. Im Januar 2008 verwalteten Schweizer Banken schätzungsweise Vermögenswerte von über CHF 2 Mrd., die potenziell für Vermögensverwaltungstrusts in Frage kommen. Trusts bzw. an diesen beteiligten Parteien werden daher nicht unerheblich durch den AIA betroffen sein. Da bei Trusts die Qualifikation nach dem Common Reporting Standard (CRS) komplex ist und der Kreis der zu meldenden Personen grösser ist als in vielen anderen Fällen, kommt dem Rechtsschutz eine erhöhte Bedeutung zu. Dessen Ausgestaltung ist nationale Angelegenheit. Die Effektivität hängt nicht zuletzt davon ab, wie der Gesetzgeber die Abwägung zwischen dem Rechtsschutzbedürfnis der betroffenen Person nach Datenschutz und Privatsphäre und dem internationalen Interesse an der Transparenz vornimmt. Auf der vom Mitverfasser moderierten Podiumsdiskussion des Kapitalmarktforums 2016 zwischen Alexandre Dumas (ESTV), Paul Hondius (OECD) und Nicolas Passadelis (Baker&McKenzie) waren Risiken und Rechtsschutz beim AIA zentrales Thema.

2. BEHANDLUNG VON TRUSTS BEIM AIA
Die Qualifikation des Trusts bestimmt den Kreis der zu meldenden Personen sowie den Inhalt der Meldung. Unter dem CRS werden Trusts entweder als Finanzinstitute (FI) oder als aktive oder passive Non-Financial-Entity (NFE) qualifizieren. Für die Qualifikation ist dabei das anwendbare Recht im Ansässigkeitsstaat des Trustee massgeblich, sofern der Trust nicht bereits durch eine Steuerpflicht in einem anderen Staat meldepflichtig wurde.
2.1 Trusts als Finanzinstitute. Die Qualifikation des Trusts als ein FI wird i.d.R. auf der Grundlage der Definition des professionell verwalteten Investmentunternehmens (PVIU) erfolgen. Ein Rechtsträger ist dann ein PVIU, wenn dessen Bruttoeinkünfte vorwiegend aus der (Wieder-) Anlage oder dem Handel von Finanzvermögen stammen (Gross-IncomeTest) sowie von einem anderen Finanzinstitut verwaltet wird (Managed-By-Test). Gerade die Vielfalt des Trusts erschwert seine Einordnung mit lediglich zwei Tests. Trusts werden dann den Gross-Income-Test erfüllen, wenn ihr Einkommen zu mind. 50% aus Finanzvermögen wie Dividenden und nicht aus realen Vermögenswerten wie z.B. Immobilien besteht. Die Komplexität des Gross-Income-Tests besteht darin, dass das Einkommen des Trusts je nach Investitionsfreudigkeit und Transaktionsfrequenz laufend variieren kann. Für die Praxis bedeutet dies, dass der Trustee die Zusammensetzung der Einkünfte des Trusts stets im Auge zu behalten hat. Der Managed-By-Test ist dann erfüllt, wennder Trust entweder durch eine Trustgesellschaft verwaltet wird oder die Verwaltung an ein FI delegiert wird. Es bestehen offene Fragen im Hinblick auf die auszuübenden Tätigkeiten und deren Umfang sowie auf das dabei vorausgesetzte Ermessen.
Wurde der Trust als ein FI qualifiziert, besteht eine Meldepflicht nur, sofern der Trustee in einem teilnehmenden Staat ansässig ist. Die kontoführende Bank wird hierbei von ihrer Meldepflicht entlastet. Der Trustee hat die Kontoinhaber zu identifizieren und an deren Ansässigkeitsstaaten, sofern es sich um AIA-Partnerstaaten handelt, zu rapportieren. Als Kontoinhaber gelten dabei mindestens der Settlor, die Begünstigten sowie sonstige natürliche Personen mit tatsächlicher Kontrolle. Bis zum Zeitpunkt der effektiven Ausschüttung gelten diskretionär Begünstigte nicht als Kontoinhaber und sind somit nicht zu melden.
2.2 Trusts als passive NFE. Als passive NFE gelten Rechtsträger, die nicht als aktive NFE qualifizieren, sowie PVIU, die in nicht teilnehmenden Staaten ansässig sind. Im Falle einer passiven NFE unterliegt diese selbst sowie deren beherrschende Personen der Meldung durch die kontoführende Bank. Gemäss dem OECD-Kommentar zum CRS gelten als beherrschende Personen per se der Settlor, der Trustee, die Beneficiaries, der Protektor sowie alle natürlichen Personen, die den Trust tatsächlich beherrschen. Mit dieser Aufzählung setzt sich der CRS über die wirtschaftliche Realität hinweg, gerade beispielsweise Protektoren haben in der Praxis selten eine beherrschende Funktion. Diskretionär Begünstigte sind als beherrschende Personen zu melden, sofern sie identifizierbar sind. Alternativ kann das kontoführende FI diskretionär Begünstigte erst im Jahr der Ausschüttung melden. Damit wird gesetzlich erlaubt, diskretionär Begünstigte dem Entscheid der Bank geradewegs auszuliefern.

3. RECHTSSCHUTZ BEI DER DATENERHEBUNG
3.1 Due-Diligence Phase und Informationspflicht der Bank. Die Due-Diligence-Phase ist grundsätzlich ein bankinterner Prozess (vgl. Abbildung). Im Gegensatz zur Amtshilfe auf Ersuchen besteht kein Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Rechtsträger gibt aber Unterlagen und eine Selbstauskunft. Für den Trustee ist im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten sowie als Absicherung gegen Rechtsrisiken das Einholen einer Legal Opinion zur AIA-Qualifikation geboten. Diese bietet in dieser Phase Rechtssicherheit für die betroffenen Personen. Zunächst kann damit die Einordnung seitens der Bank erleichtert werden. Weiter besteht mit der Legal Opinion der Nachweis einer korrekten Klassifikation des Trusts.
Spätestens per 31. Januar 2018 wird der gesetzlich vorgesehene Rechtsschutzweg nach Art. 19 AIAG i.V.m. mit dem Datenschutzgesetz (DSG) eröffnet, denn bis zu diesem Zeitpunkt hat das kontoführende Finanzinstitut alle meldepflichtigen Personen nach Art. 14 Abs. 1 AIAG erstmalig zu informieren. Bei den betroffenen Personen besteht spätestens dann Klarheit darüber, welche Informationen über sie an welche Staaten automatisch übermittelt werden. Inwiefern der Schutz des DSG auch den Trusts selbst zusteht, ist aber ungeklärt. Zudem ist vor dem Hintergrund der anstehenden DSG-Revision fraglich, ob zukünftig juristische Personen als Datensubjekte überhaupt Schutz geniessen werden. Dies würde die Effektivität des Rechtsschutzes im Rahmen des AIA in Frage stellen. Nach Erhalt der Information und somit vor der Weiterleitung der Daten an die ESTV steht den betroffenen Personen ein beschränktes Zeitfenster (fünf Monate) zum Handeln zur Verfügung.
3.2 Unrichtigkeit von Daten. Die Unrichtigkeit von Daten hat die Person gegenüber dem Finanzinstitut gemäss Art. 19 Abs. 1 AIAG i.V.m. Art. 5 Abs. 2 DSG zu beanstanden sowie die Richtigkeit der beantragten Änderung zu beweisen. Beim AIA sind beispielsweise Schreibfehler bei der Kontonummer oder die unrichtige Qualifikation einer Person als beherrschende Person als unrichtige Daten denkbar. Akzeptiert das kontoführende FI die von den betroffenen Personen vorgebrachte Änderung, ist die Berichtigung innert angemessener Frist (30 Tage) vorzunehmen. Andernfalls muss die betroffene Person ihren Anspruch gemäss Art. 15 Abs. 1 DSG auf dem Zivilrechtsweg durchsetzen. U.E. sollte die Bank mit den Betroffenen stets eine einvernehmliche Lösung suchen.
3.3 Strittige Meldepflicht. Die Meldepflicht an sich sowie der Inhalt der Meldung können strittig sein. Zu denken sei an eine unzutreffende AIA-Klassifikation durch die Bank oder an eine unzutreffende Ermittlung des Ansässigkeitsstaats. Die betroffenen Personen werden regelmässig eine Unterlassung der Datenbekanntgabe an die ESTV anstreben. Dabei ist gemäss Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 DSG eine Unterlassungsklage auf dem Zivilrechtsweg einzureichen. Das Durchlaufen eines Zivilprozesses im ordentlichen Verfahren innert fünf Monaten ist wenig realistisch, womit der Rechtsschutzweg auf diese Art faktisch verschlossen bleibt.
Die betroffene Person kann vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 261 der Zivilprozessordnung (ZPO) anstreben. Die Erfolgsaussichten hängen vom Bestehen eines materiellen Anspruchs sowie einem nicht wiedergutzumachenden Nachteil ab. Zum nicht wiedergutzumachenden Nachteil befürchtet Livschitz aufgrund der EGMR-Rechtsprechung, dass Bankdaten rein finanztechnische Informationen seien, also weder intime Informationen noch solche, die an die Persönlichkeit des Beschwerdeführers knüpften zur Schutzwürdigkeit von Bankkontendaten, ein Hindernis. Diese Befürchtung verkennt u.E. die unterschiedlich gelagerten Fallkonstellationen. Bei G.S.B versus Schweiz ging es um die nationalen Interessen der Schweiz, welche aufgrund massiven Drucks seitens der USA auf dem Spiel standen, wobei die Richtigkeit bzw. steuerrechtliche Qualifikation der zu liefernden Daten nicht in Frage stand. Vorliegend dagegen geht es keineswegs um nationale Interessen. An der Auslieferung unrichtiger Daten kann ein Partnerstaat kein legitimes Interesse haben.
Jedoch hat der Steuerpflichtige ein legitimes Interesse an der Richtigkeit der über ihn übermittelten Daten. Dies erst recht, wenn die Person mit gerichtlichen Verfahren konfrontiert wird. Zu denken sei an den Settlor oder diskretionär Begünstigte, die infolge umstrittener Meldung mit dem vollen Wert des Trustvermögens urplötzlich zu Millionären werden. Ebenso nachteilig ist eine Meldung an den falschen Ansässigkeitsstaat, der sich verleitet sehen mag, ein Nachsteuer- und Strafverfahren in Gang zu setzen. Auch vor dem Hintergrund der eingeschränkten Interventionsmöglichkeiten gegenüber der ESTV gemäss Art. 19 Abs. 2 AIAG ist der Zugang zu vorsorglichen Massnahmen zu gewähren.
Dies hat der liechtensteinische Gesetzgeber auch so gesehen. Gemäss Art. 12 Abs. 4 des liechtensteinischen AIA-Gesetzes darf das meldende FI im Falle einer Klage und einstweiligen Verfügung erst nach Rechtskraft des Urteils über die Richtigkeit der auszutauschenden Informationen, die Informationen an die nationale Steuerverwaltung übermitteln.

4. RECHTSSCHUTZ BEI DER DATENVERWENDUNG
Sobald die Daten bei der ESTV sind, stehen der betroffenen Person nur das Auskunftsrecht, eine eingeschränkte Berichtigung unrichtiger Daten sowie der Erlass einer Feststellungsverfügung im besonderen Rahmen zu.
4.1 Auskunftsrecht und Berichtigung unrichtiger Daten. Die betroffene Person hat gegenüber der Bank und der ESTV ein Auskunftsrecht nach Art. 8 DSG. Sie kann beispielsweise als diskretionär Begünstigte erfragen, ob über sie Daten bearbeitet werden. Später hat sie auf Ersuchen einen gesetzlichen Anspruch auf eine Kopie der Meldung an die ESTV. Der betroffenen Person ist bereits in der Due-Diligence-Phase zu empfehlen, ein Auskunftsbegehren zu stellen und dieses ggf. jährlich zu wiederholen. Für die Überprüfung allfälliger Übermittlungsfehler kann die Person jedoch erst zum bzw. nach dem Zeitpunkt der Übermittlung der Daten an die ESTV (d.h. erstmalig am 30.6.2018) ein Auskunftsbegehren stellen.
Unrichtige Daten kann die betroffene Person gegenüber der ESTV nur berichtigen, wenn diese auf Übermittlungsfehlern beruhen. De facto muss eine Person bei grundfalschen Daten (nicht auf Übermittlungsfehler beruhend) die Unrichtigkeit beim FI beanstanden; diese grundfalschen Daten werden nichtsdestotrotz an ihren Ansässigkeitsstaat übermittelt, sofern das FI nicht rechtzeitig berichtigte Daten an die ESTV liefert. Dass eine Berichtigungsmeldung der Bank an die ESTV auch vor Übermittlung an den Partnerstaat möglich sein muss, ergibt sich u.E. aus der Ratio des Art. 19 Abs. 3 AIAG. Bei der Berichtigung unrichtiger Daten geht es nicht darum, die Weiterleitung der Daten zu verhindern, sondern die Weiterleitung richtiger Daten zu erreichen. Jede Meldung, die unrichtig und somit qualitativ ungenügend ist, kann nicht im Interesse der am AIA-beteiligten Staaten sein. Allenfalls wird mit dem Erhalt unrichtiger Daten ein Steuerverfahren eingeleitet, das sich mit dem nachträglichen Erhalt richtiger Daten als unnütz erweist. U.E. sollte daher ein Berichtigungsanspruch unrichtiger Daten gegenüber der ESTV innerhalb des knappen Zeitfensters von drei Monaten gegeben sein, sofern die Bank berichtigte Daten an die ESTV meldet.
4.2 Unzulässigkeit der Datenübermittlung. Die Übermittlung der Daten an den Partnerstaat ist ein Realakt der ESTV. Art. 19 Abs. 2 AIAG sieht bei Nachteilen, die der Person aufgrund fehlender rechtsstaatlicher Garantien nicht zugemutet werden können die Möglichkeit vor, eine Verfügung der ESTV nach Art. 25a des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVG) zu erwirken. Die erlassene Verfügung eröffnet den Beschwerdeweg an das Bundesverwaltungsgericht. Es ist nicht klar, was der Gesetzgeber unter fehlenden rechtsstaatlichen Garantien versteht. U.E. sollten keine AIA-Abkommen mit Staaten geschlossen werden, deren Recht oder die Rechtspraxis rechtsstaatlich bedenklich sind. In der CRS-Terminologie ist mit den rechtstaatlichen Garantien wohl der Ordre public gemeint. Aus der Schweizer Perspektive wird der ordre public bei der Rechtshilfe in Art. 2 des Rechtshilfegesetzes (IRSG) beschrieben. Dieser gilt allerdings nicht für juristische Personen. Somit ist bei juristischen Personen fraglich, ob sie Nachteile i.S.v. fehlenden rechtstaatlichen Garantien erleiden können. Fraglich ist auch, wie konkret der Nachweis einer drohenden Verletzung im Rahmen von Art. 19 Abs. 2 AIAG sein muss. Bei der Rechtshilfe muss die betroffene Person die Befürchtung einer konkreten und ernsthaften Verletzung der Menschenrechte im ersuchenden Staat dartun. Dies auch bei Ländern, bei denen es offenkundig zu Verletzungen von Verfahrensrechten kommt und umso mehr bei Ländern, die die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Uno Pakt II ratifiziert haben.
In diesem Zusammenhang ist das in der Rechtsprechung zur Rechtshilfe verankerte Dreikreismodell zu erwähnen. Staaten des ersten Kreises wird die Amts- und Rechtshilfe grundsätzlich ohne die Abgabe einer Zusicherung gewährt, während bei Staaten mit einer unsicheren Menschenrechtslage die Abgabe einer diplomatischen Garantie verlangt wird. Bei Staaten des dritten Kreises wird grundsätzlich keine Rechtshilfe gewährt. Die Schweiz schliesst jedoch zunehmend Rechts- und Amtshilfeverträge mit Staaten ab, bei denen die Einhaltung von rechtstaatlichen Garantien fraglich scheint. In der Praxis wird bei einer ernsthaft drohenden Verletzung von elementaren Verfahrensgarantien regelmässig eine Zusicherung des ersuchenden Staats eingeholt. Problematisch ist die Zusicherung insbesondere dann, wenn der entsprechende Staat zwar die EMRK oder den Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) ratifiziert hat, angesichts der realen Lage aber die konkrete Gefahr besteht, dass die entsprechenden Rechte missachtet werden. In einem Entscheid zu einem russischen Wirtschaftsdelinquenten stellte das Bundesgericht (BGer) fest, dass die Menschenrechtslage in Russland zwar zu wünschen übrig lasse, dennoch genügt eine Zusicherung der Einhaltung von Menschenrechten von den russischen Behörden. Diese Praxis des BGer ist realitätsfremd. Vor dem Hintergrund dieser Praxis ist an den Bundesrat zu appellieren, beim Abschluss von AIA-Abkommen mit kritischen Staaten Zurückhaltung walten zu lassen. Ein Unterzeichnerstaat des Multilateral Competent Authority Agreement (MCAA) einen anderen MCAA-Staat zur bilateralen Aktivierung des AIA auffordern kann. Problematisch ist gemäss Paul Hondius (OECD), dass der aufgeforderte Staat grundsätzlich Folge zu leisten hat, solange der auffordernde Staat seine Datenschutzregeln vorab aufzeigt und erläutert.
Daher werden aktuell die 101 AIA-Länder von der OECD auf die Einhaltung von Vertraulichkeitsstandards evaluiert; die Ergebnisse sowie die Verbesserungsvorschläge werden in einem Länderrating festgehalten. Erst bei vollständiger Umsetzung der Verbesserungsvorschläge soll der AIA mit dem evaluierten Staat durchgeführt werden können. Gemäss Tim Stanley (Control Risk Moscow) ist jedoch davon auszugehen, dass u.a. in den CIS-Ländern die Vertraulichkeit der Daten und das Spezialitätsprinzip (d.h. nur die Verwendung für die Besteuerung) nicht besteht. Dies liegt an den Unterschieden der Rechtskultur sowie an der tief verwurzelten Korruption. Eine befriedigende Datensicherheit (u.a. bei Hackerangriffen) wird auch nach Dr. Benedict Ugarte-Chacon (Die Linke) nicht zu gewährleisten sein.
Fraglich ist, ob und wie der Rechtsschutz durchzusetzen ist. Selbst bei «kritischen» Ländern ist ein konkreter Nachteil aus fehlenden rechtsstaatlichen Garantien nicht immer leicht darzutun. Für westeuropäische Länder wird dies nahezu unmöglich sein, denn bei diesen besteht gemäss dem BGer eine bewährte Rechtstaatskultur. Eine Anwendung des Dreikreismodells ist bei einem Massensachverhalt wie beim AIA u.E. nicht sinnvoll. Anders als bei der Rechtshilfe, wo es um die Verfolgung von Kriminellen geht, kann der AIA nach der Natur der Sache lediglich der allgemeinen Plausibilisierung von Steuererklärungen dienen.
Bei Nachteilen, die nicht aufgrund von fehlenden rechtsstaatlichen Garantien entstehen, besteht gar kein öffentlicher Rechtsschutz. Einzige Ausnahme dazu bilden die Übermittlungsfehler. Faire und effektive Interventionsmöglichkeiten für betroffene Personen sind nicht zuletzt für das Renommee des schweizerischen Finanzplatzes bedeutend. Sofern die Schweiz mit Ländern des zweiten Kreises AIA-Abkommen abschliesst, sollte u.E. auch im Rahmen des Ordre Public ein grosszügiger Rechtsschutz gewährt werden.

5. RECHTSSCHUTZ BEI ERFOLGTER DATENÜBERMITTLUNG

Wurden die bereits übermittelten Informationen durch einen rechtskräftigen Entscheid berichtigt, hat die ESTV die korrigierten Daten an den Partnerstaat gemäss Art. 19 Abs. 3 AIAG weiterzuleiten. Eine nachträgliche Berichtigung erfolgt meist nach längerer Zeit, d.h. allenfalls sogar nach einem bereits im Partnerstaat eingeleiteten Nachsteuerverfahren, Steuerstrafverfahren oder einer allfälligen Anfrage auf dem Amtshilfeweg. In Ländern wie beispielsweise Brasilien wird unabhängig von einem Steuerverfahren auch ein Strafverfahren in Gang gesetzt. U.U. läuft dieses Strafverfahren weiter (wie übrigens auch bei einer erfolgreichen Selbstanzeige). Die Person wird sich daher im entsprechenden Ansässigkeitsstaat mit den dort vorhandenen Rechtsmitteln gegen den im Anschluss der Übermittlung zu Unrecht erlassenen Bescheid wehren müssen.

6. KONSEQUENZEN FÜR SCHWEIZER STEUERPFLICHTIGE
Die ESTV leitet von Partnerstaaten erhaltene Informationen den kantonalen Steuerbehörden weiter . Erhält eine kantonale Steuerverwaltung beispielsweise im Rahmen des AIA Kenntnis von einem bislang nicht deklarierten Bankkonto eines Steuerpflichtigen, wird diese das in der laufenden Veranlagung des Einkommens und Vermögens des Steuerpflichtigen berücksichtigen oder gegebenenfalls ein Nachsteuerverfahren einleiten. In diesem Zusammenhang ist auf drei Aspekte hinzuweisen: Erstens, wird hinsichtlich nachträglicher Regularisierung in der Schweiz die Straflosigkeit einer Selbstanzeige nur dann gewährt, wenn die Steuerbehörden noch keine Kenntnis von der Hinterziehung hatten und die steuerpflichtige Person die Steuerbehörden bei der Festsetzung der Nachsteuer vorbehaltlos unterstützt sowie alles unternimmt die Nachsteuern zu bezahlen. Zweitens, angesichts der Tatsache, dass bei Trusts die involvierten Personen wie Trustees, Settlor, Protector, noch nicht bereicherte Begünstigte per AIA-Meldung zu Millionären gemacht werden, kann es sich empfehlen, die kantonalen Steuerbehörden vorsorglich mit vorab eingereichten Informationen entsprechend «vorzuwarnen». Drittens in Fällen, in denen die vom Ausland gelieferten AIA-Informationen nicht ausreichen, um die Steuerpflicht nach Schweizer Recht abschliessend festzustellen, kann die Steuerverwaltung zusätzlich Amtshilfeersuchen auf den Weg bringen. Nach der Aussage von Alexandre Dumas (ESTV) werden die kantonalen Steuerbehörden die ausländischen Daten aufgrund der engen personellen Situation nicht auswerten können, was zu einem teuren Datenfriedhof führen könnte.

7. FAZIT UND AUSBLICK

Zusammenfassend kann das Ergebnis der Analyse der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten des Rechtsschutzes anhand von Trusts sowie deren Effektivität als durchaus durchwachsen bezeichnet werden. Nicolas Passadelis (Baker&McKenzie) zieht den Vergleich mit einem Kampf von David gegen Goliath; die betroffene Person tritt stets gegen ein FI oder gegen den Staat an. Nach der Auskunft von Alexandre Dumas (ESTV) wurde bei der ESTV eine Arbeitsgruppe zu Trusts & Foundations eingesetzt, um die Problematik zu analysieren.
Der Verweis des AIAG auf das DSG und damit verbunden auf den Zivilrechtsweg mag befremden. Zunächst ist das Zivilgericht zur Beurteilung von Steuermaterien nicht das fachlich kompetente Gericht und weiter werden DSG-Streitigkeiten bekanntlich kaum gerichtlich ausgefochten. Dass das AIAG auf das DSG verweist, ist bezüglich der Effektivität fraglich. Im Zivilverfahren ist es die betroffene Person, die den Sachverhalt und die Beweise beizubringen sowie einen Kostenvorschuss zu leisten hat. Damit wird auch klar, dass die wenigsten Fälle effektiv vor einem Gericht landen werden. Gegenüber der ESTV können Daten nur berichtigt werden, wenn deren Unrichtigkeit auf einem Übermittlungsfehler basiert. Nach unserer Auffassung müssen aber auch nach Übermittlung an die ESTV und bereits noch vor der Übermittlung an die Partnerstaaten die FI eine Berichtigung der Daten an die ESTV melden können, dies nach Art. 19 Abs. 3 AIAG im Erst-Recht-Schluss.
Aufgrund der kurzen Fristen beim AIA kommt dem einstweiligen Rechtsschutz erhöhte Bedeutung zu. Die Anwendung der für die Rechtshilfe entwickelten Dreikreistheorie zur Ermöglichung der Informationsübermittlung an rechtsstaatlich zweifelhafte Staaten aufgrund einer jederzeit leicht auszustellenden Garantieerklärungen macht bei einem Massensachverhalt wie dem AIA und den damit verbundenen erheblichen Missbrauchsrisiken u.E. keinen Sinn.
Ein rechtskräftiger Entscheid im ordentlichen Zivilverfahren ist zeitlich erst nach der Übermittlung an den Partnerstaat zu erwarten und wird diesem vielfach nachträglich gemäss Art. 19 Abs. 3 AIAG mitgeteilt. Unberechtigte Nachsteuer- und Strafverfahren mögen dann bereits in Gang gesetzt sein. Eine besondere Brisanz kommt dem Einklagen von Berichtigungen deshalb zu, weil Pflichtverstösse bei der eigenen Selbsterklärung strafrechtlich bewährt sind. Es kann sich also empfehlen, zeitgleich eine Selbstanzeige nach Art. 36 AIAG abzugeben, um einer möglichen Strafbarkeit entgegenzuwirken.
Durch AIA-Meldungen aus Partnerstaaten in die Schweiz werden bei Trusts involvierte Trustees, Protektoren, Settlor und Begünstigte vielfach zu Unrecht als Millionäre hingestellt, obwohl sie wirtschaftlich in keiner Weise am Vermögen berechtigt sind. Es besteht das Risiko, dass dies zu kafkaesken Nachsteuerverfahren führt. Deshalb empfiehlt es sich, kantonale Steuerbehörden vorsorglich mit vorab eingereichten realen Informationen über die im Trust-Gefüge übernommene Funktion zu informieren.
Mit dem AIA ist für Trusts der Weg zum transparenten Rechtsgebilde keineswegs zu Ende. Der neuste Vorschlag der G20 Staaten beauftragt die OECD, die Erstellung eines Registers für Trusts zu prüfen bzw. einen Standard für den automatischen Austausch von diesen Daten zu entwerfen. Eine Reihe grundsätzlicher Fragen sind hierzu noch offen, sodass der Umsetzungszeitpunkt unklar ist. Die verfassungsrechtliche Konformität ist insbesondere bei öffentlichen Trustregistern fraglich: Das oberste französische Verfassungsgericht erklärte im Urteil vom 21. Oktober 2016, das Recht auf Privatsphäre sei bei einem öffentlichen Register unverhältnismässig verletzt, und verfügte die Sperrung des am 30. Juni 2016 veröffentlichten Trustregisters in Frankreich.

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Effektivität des AIA-Rechtsschutzes – LINDEMANNLAW

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